Provisionsansprüche aus Handelsvertretung

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Das Gutachten soll einen Überblick über die Rechtslage in Bezug auf die Handelsvertretung ermöglichen. Daher wurde anhand einer kleinen Literaturauswahl das Meinmingsspektrum und der gesetzliche Rahmen ausgeleuchtet.
Weitere Quellen wurden gesichtet, sind aber hier nicht unbedingt zitiert. Wegen der zwingenden HGB-Vorschriften ergibt sich bei gewissenhafter Recherche Unabhängig von der Quelle ein einheitliches Meinungsbild in Literatur und höchster Rechtsprechung.
Ich habe das Gutachten leicht überarbeitet. Das PDF der bei den Gerichten (Landgericht, Oberlandesgericht, Arbeitsgericht, Bundesverfassungsgericht) eingereichten Version ist in anonymisierter Fassung unter diesem Link abrufbar. Das Dokument ist in Papierform, also ohne Verlinkungen aktenkundig.

Weitere Informationen

Die Tätigkeit des Vermittelns von Kaufverträgen für IT-Markenprodukte in Geschäften des Technik-Einzelhandels (Märkte) auf der Grundlage von Einzelverträgen im Auftrag der Firma J kann als Handelsvertretertätigkeit einzuordnen sein und Provisions- sowie weitere Ansprüche auf Grundlage der §§ 84 ff. HGB begründen.

Inhaltsübersicht

  1. Selbstständiger Gewerbetreibender (§ 84 Abs. 1 Hs. 1, S. 2, Abs. 4 HGB)
  2. Geschäfte vermitteln / abschließen, § 84 Abs. 1 S. 1 HGB
  3. Vermitteln
  4.   Kausalität
  5. Abschluss
  6. Für einen anderen Unternehmer
  7. Untervertretung
  8.   Keine echte Untervertretung
  9. Ständig betraut
  10. Betrauung
  11. Ständig
  12. Pflichten des Handelsvertreters, § 86 HGB
  13. Tätigkeitspflicht, § 86 Abs. 1 HGB
  14. Bemühenspflicht
  15. Mitteilungs- und Nachweispflicht, § 86 Abs. 2 HGB
  16. Sorgfaltspflicht, § 86 Abs. 3
  17. Provisionsanspruch, § 87 Abs 1, 2 HGB
  18. Tagessatz als Provision
  19. Provision auf Basis abgeschlossener Geschäfte
  20. Provisionssatz
  21. Vorschuss oder Verrechnung
  22.   Vorschussprovision
  23. Aufwendungsersatz
  24. Verjährungseinrede
  25. Regelmäßige Verjährungsfrist
  26. Verjährungsfrist nach § 199 BGB
  27.   Schuldhafte Pflichtverletzung, § 280 Abs. 1 BGB
  28.   Schadensfolge
  29. Verwirkung
  30. Stufenklage, § 254 BGB
  31. Auskunftsanspruch
  32. Leistungsanspruch
  33. Zuständige Gerichtsbarkeit
  34. Ordentliche Gerichtsbarkeit
  35. Schiedsgericht
  36. Arbeitsgericht
  37. Zwischenergebnis
  38. Ergebnis

Der Status des früher als Handlungsagent bezeichneten Handelsvertreters ergibt sich aus §§ 84 ff. HGB sowie auf europäischer Ebene aus der Novelle 1990 der Richtlinie 86/653/EWG . Schutzzweck der Norm ist Schutz der Handelsvertreter. Die Umsetzung der Richtlinie im deutschen Recht durch das Gesetz zur Durchführung der EG-Richtlinie zur Koordinierung des Rechts der Handelsvertreter vom 23.10.1989 erweitert den siebenten Abschnitt des Handelsgesetzbuchs in Richtung von mehr unabdingbaren Vorschriften.
Die EU-Richtlinie wie auch die HGB-Bestimmungen sind nicht zum Nachteil des Handelsvertreters auszulegen. [1] Europarechtliche Vorschriften entfalten keine unmittelbare Wirkung in den Mitgliedstaaten, daher ist die Richtlinie nicht Gegenstand dieser Untersuchung.

Provisionsansprüche der Handelsvertreter nach §§ 87 und 87a HGB sind in den Vorgaben der Richtlinie in weitem Umfang zu deren Schutz ausgestaltet. Wenngleich der Provisionsanspruch § 87 HGB selbst nicht zwingend erscheint, so muss bei einer entsprechenden Abweichung immer zugleich auch die unabdingbare Einschränkungsmöglichkeit des § 87a HGB berücksichtigt werden. Diese verbindlichen Regelungen, insbesondere der Provisionsanspruch für Geschäfte, die vom Unternehmer nicht wie vereinbart ausgeführt wurden, § 87a Abs. 3 HGB, schränken den Gestaltungsfreiraum der Vertragsparteien auch bei Individualvereinbarungen in erheblichem Umfang ein. [2]

Handelsvertreter ist nach § 84 Abs. 1 S. 1 HGB, wer als selbstständiger Gewerbetreibender ständig damit betraut ist, für einen anderen Unternehmer (Unternehmer) Geschäfte zu vermitteln oder in dessen Namen abzuschließen.

Selbstständiger Gewerbetreibender (§ 84 Abs. 1 Hs. 1, S.2, Abs 4 HGB)

Erstes Unterscheidungskriterium der freien Handelsvertreter von angestellten Handlungsgehilfen (vgl.  § 84 Abs. 2 HGB) ist die Selbstständigkeit ihrer Tätigkeit. Dabei ist eine Eintragung im Handelsregister ausdrücklich nicht erforderlich ( § 84 Abs. 4 HGB), so dass die Regelungen des siebten Abschnitts auch für Kleingewerbetreibende anwendbar sind, die im Übrigen als Nichtkaufleute von den Vorschriften des HGB freigestellt sind.

Die Selbstständigkeit ist Voraussetzung für die Entstehung des typischen Dreiecksverhältnisses zwischen Handelsvertreter, Unternehmer und Kunden. [3] Es ist dabei das Gesamtbild der tatsächlichen Handhabung zu würdigen [4] und nicht auf die Bezeichnung abzustellen. [5]

Kontraindikatoren sind Mindestarbeitsbedingungen ( § 92a Abs. 1 HGB ), Gerichtszuständigkeit, Urlaubsrecht ( § 2 S. 2 Hs. 1 BUrlG), Hinterbliebenenversorgung ( § 17 BetrAVG).

Für den Begriff der Selbstständigkeit entscheidend ist die persönliche rechtliche Freiheit im Unterschied zur wirtschaftlichen Freiheit, welche häufig fehlt, folglich die Weisungsfreiheit (wobei der Dienstvertragscharakter dem Unternehmer zwar eine gewisse Weisungsbefugnis gewährt) und "im Wesentlichen frei seine Tätigkeit gestalten und seine Arbeitszeiten bestimmen" zu können - ohne Tagesplan, Mindestarbeitszeit und Arbeitspensum. [6] Die Anforderungen der Geschäftsart, z.B. Öffnungszeiten, können diese Freiheiten einengen. [7]

Dem stehen Anwesenheits- und Erledigungspflichten sowie entsprechende Pläne entgegen. Ebenfalls behindern Urlaubspläne, die Zahlung von Urlaubsgeldern und die Sozialversicherung der Vermittler oder das Verbot von Nebentätigkeiten die Annahme einer selbstständigen Tätigkeit (Statusvergleich). Nicht hinderlich sind die Vereinbarung von Wettbewerbsverboten oder Zahlung von Fixa. [8] Eine Anordnung, zu einem bestimmten Tag an einer Besprechung teilzunehmen, ist nicht unvereinbar mit dem Status des Selbstständigen. [9]

Das Tragen der eigenen unternehmerischen Kosten und Geschäftsrisiken sollte in Abgrenzung vom Sozialversicherten abhängigen Beschäftigten das primäre Kriterium sein. [10] Weder ausschließliche Tätigkeit für einen Auftraggeber noch das damit zusammenhängende Fehlen eigener Kundschaft noch die Tatsache, dass im Einzelhandel die Öffnungszeiten zu beachten (oder einzuhalten) sind, machen einen Auftragnehmer zum Arbeitnehmer. [11]

Die Gestaltung der Tätigkeit war im Wesentlichen frei und nicht von Weisungen geprägt. Aufträge wurden tageweise und in Abstimmung mit dem Auftragnehmer vergeben und es wurde deutlich gemacht, dass es sich um eine Nebentätigkeit handeln musste. Sozialleistungen wie Urlaubs-, Krankengeld- oder sonstige Sozialleistungen wurden nicht gewährt. Es gab auch kein vorgeschriebenes Arbeitspensum. Zeiteinteilung und Pausen waren in das Ermessen der Promoter gestellt, es wurde lediglich ein Pünktlichkeitsbonus für den Anwesenheitsnachweis gegen 11 Uhr gezahlt.

Der Promoter musste das Auftrags- und sonstige unternehmerische Risiko seiner Tätigkeit sowie eigene Steuer- und Sozialversicherungspflichten tragen. Bei Ankunft im Markt war zur Bestätigung der Anwesenheit ein Fax zu senden. Mitarbeiter haben dem Promoter keine Weisungen erteilt.

Die Tätigkeit war selbstständiger, unternehmerischer Natur. Nach einer verfehlten und mittlerweile bereinigten Entscheidung der Rentenversicherung Bund auf der Grundlage von § 7a SGB IV hat auch arbeitsgerichtliche Überprüfung ergeben, dass die Tätigkeit selbstständig ausgeübt wurde. [12]

Geschäfte vermitteln / abschließen, § 84 Abs. 1 S. 1 HGB

Die Verkaufsförderung fand in Geschäften durch direkte Ansprache von Kunden, Besprechung mit Mitarbeitern der Märkte und Verteilung von Informations- und Werbematerial statt. Es müssten in diesem Rahmen Geschäfte vermittelt oder in fremdem Namen abgeschlossen worden sein.

Vermitteln

Vermittlung ist die Förderung von Geschäftsabschlüssen durch Einwirken auf Dritte. Hierbei genügt Mitursächlichkeit, soweit sie nicht lediglich ganz nebensächlich ist. [13] Die persönliche Mitwirkung am Abschluss ist nicht erforderlich. In der Wahl der Mittel ist der Vertreter grundsätzlich frei, im Zweifel jedoch an Weisungen des Unternehmers gebunden. Die Kontaktpflege und Kundenbetreuung allein oder der bloße Nachweis von Gelegenheit zu Geschäften ist (anders als beim Makler [14]) nicht ausreichend.

Es wurden in den Einzelhandelsniederlassungen Kundengespräche mit dem Ziel geführt, die Kunden zum Kauf zu veranlassen. Kaufverträge wurden an der Kasse zwischen Kunde und Markt geschlossen. Es handelt sich um eine vermittelnde Tätigkeit.

Kausalität

Die Tätigkeit muss kausal für die vermittelten Geschäfte sein. Dabei kommt es nicht darauf an, dass der Geschäftsabschluss allein und ausschließlich durch den Handelsvertreter verursacht worden ist. Ausreichend ist vielmehr jede Mitursächlichkeit des Handelsvertreters, wenn sie das Zustandekommen des Geschäfts "irgendwie" gefördert hat. Dies gilt selbst dann, wenn der Unternehmer nicht wusste, dass der Handelsvertreter bei einem unmittelbaren Geschäftsabschluss mitursächlich tätig geworden ist. [15]

Die Promotion hatte nach den statistischen Erhebungen der Auftraggeberin regelmäßig Umsatzzuwächse im dreistelligen Prozentbereich zur Folge. Diese Geschäfte wären andernfalls nicht zustande gekommen. Erfolgssteigerung durch das Merchandising kann nicht ohne Weiteres beziffert werden.

Die Tätigkeit war kausal für die vermittelten Geschäftsabschlüsse.

Abschluss

Abschluss als Unterfall der Vermittlung schließt den Vertragsschluss in fremdem Namen mit ein.

Der Promoter hat keine Verträge in fremdem Namen abgeschlossen.

Es wurden Geschäfte mit den Kunden der Märkte vermittelt.

Für einen anderen Unternehmer

Die Handelsvertretung muss für einen anderen Unternehmer ausgeübt werden.

Unternehmer als Begriff ist von der Rechtsform unabhängig. Auf beiden Seiten genügt die wirtschaftliche Betätigung am Markt. [16]

Auch Kleingewerbetreibende, die als Nichtkaufleute sonst nicht dem HGB unterfallen, sind in diesem Sinne erfasst, soweit nicht ein arbeitnehmerähnliches Verhältnis mit den entsprechenden Leistungen vorliegt. [17]

Der Begriff beschränkt die Tätigkeit nicht auf einen anderen Unternehmer; es kann auch eine Vertretung für mehrere andere Unternehmer ausgeübt werden. [18]

Die Auftraggeberin ist eingetragene Handelsgesellschaft i.S.v. §§  1, 2 HGB (HRA 0000 Amtsgericht B), also anderer Unternehmer in diesem Sinn.

Untervertretung

Die Vertretung hatte nicht den Vertrieb von Produkten der Unternehmerin selbst zum Inhalt, sondern Produkte internationaler Markenhersteller.

Vermitteln ist in wirtschaftlicher Betrachtungsweise auszulegen. Dabei ist zu berücksichtigen, dass im Zuge der wirtschaftlichen Entwicklung die Vertriebsorganisationen von Großunternehmen häufig dreistufig sind, wobei das Gesetz keine gesonderte Bezeichnung für die mittlere Stufe kennt. [19] Gemäß § 84 Abs. 3 HGB kann der Unternehmer selbst Handelsvertreter sein, es wird dann von Untervertretung gesprochen. Ansprüche zwischen Untervertreter und Unternehmer richten sich stets gegen den Hauptvertreter, [20] also den Auftraggeber, zu dem vertragliche Beziehungen bestanden haben.

Keine echte Untervertretung

Nach bestehenden Erkenntnissen ordnet sich die Auftraggeberin selbst nicht als Handelsvertreter ein, sondern bezeichnet sich als Handelsmarketingagentur, also Vertriebsunternehmen eigener Art.

Das Gesetz fordert freilich nur, dass die Tätigkeit „für einen anderen Unternehmer“ ausgeübt wird. Die rechtliche Einordnung des Unternehmers ist für den Anspruch ohne Belang. Es kann hier also dahinstehen, ob der Unternehmer seine eigenen oder fremde Produkte vertreiben lässt und ob es sich beim Unternehmer selbst um einen Handelsvertreter handelt.

Entscheidend muss der Auftrag sein, der den Handelsvertreter verpflichtet, in der spezifischen Weise tätig zu werden. Durch die Erfüllung seiner Pflichten, insbesondere der Nachrichtspflicht aus § 86 Abs.2 HGB weist der Handelsvertreter nach, dass und inwieweit er seiner Auftragspflicht genügt hat. Im Gegenzug ist die Unternehmerin zur Gegenleistung verpflichtet.

Offenbar handelt es sich um ein mehrstufiges Vertriebsmodell in Form unechter Untervertretung. Dem Kriterium der Tätigkeit für einen anderen Unternehmer genügt das.

Ständig betraut

Es müsste ständige Betrauung vorliegen.

Betrauung

Betraut bedeutet beauftragt zum Vertragsschluss. [21] Der Begriff ist gleichzusetzen mit beauftragt i.S.v. § 675 BGB [22], da das Handelsvertreterverhältnis einen Dienstvertrag mit dem Inhalt der Geschäftsbesorgung darstellt. Betraut bedeutet ferner, dass der Handelsvertreter verpflichtet ist, sich ständig - nicht nur gelegentlich nach Möglichkeit - um die Geschäftsvermittlung zu bemühen. [23] Somit entsteht ein Dauerschuldverhältnis, demzufolge der Betraute eine unbestimmte Vielzahl von Geschäften für den Unternehmer vermitteln oder abschließen soll. Dafür ist eine unbestimmte Zeitdauer oder gar ein langfristiger Vertrag nicht erforderlich. Im Einzelfall genügt die Betrauung für eine Saison, eine Kampagne oder die Dauer einer Messe. [24] Ein Handelsvertreterverhältnis entsteht nicht wenn der geschlossene Vertrag dem Auftragnehmer ins Belieben stellt, ob er tätig werden will oder nicht. [25] Es wird auf das Gesamtbild der Typusmerkmale abgestellt. Im Übrigen ist zu vermuten, dass der Begriff Betrauung die Sorgfaltspflichten des Handelsvertreters als Auftragsbestandteil im Sinne allgemeiner Vertragsbedingungen mit umfasst. Der Vertrag selbst ist formfrei und kann auch konkludent geschlossen werden. [26]

Die Tätigkeit in den jeweiligen Technikmärkten hatte die Zielsetzung aktiver Kundenansprache und Überzeugung der Kunden von Produkten des jeweiligen Herstellers mit dem Ziel des Produktverkaufs.

Für das Merchandising war ein Leitfaden für die Anbringung und Verteilung des Werbematerials zu befolgen. Umfangreiche Angaben zum Vorhandensein von Ausstellungsgütern, der Verteilung und Platzierung von Werbematerial, Mitarbeitergesprächen etc. in eine App einzupflegen und Mitarbeitergespräche zu führen, um die Warenpräsentation und -repräsentation zu verbessern und letztlich auch den Abverkauf zu intensivieren.

Das Vertragsverhältnis zwischen Unternehmer und Promoter auf Grundlage von Einzelverträgen war eine Betrauung.

Ständig

[Die Erteilung von Kettenverträgen ist als einheitlich fortgeführter Vertrag anzusehen. [27] Die lose Abfolge von tageweisen Einzelaufträgen setzte sich über Jahre fort. Durch regelmäßige – nicht vergütete – Schulungsmaßnahmen ist zudem ein besonderes Vertrauensverhältnis zwischen Auftraggeber und Auftragnehmer entstanden, das den Charakter einer Dauerrechtsbeziehung hat. Darauf kommt es aber nicht an.]

Ständig bedeutet in Abgrenzung zum Handelsmakler nicht nur gelegentlich, [28] jedoch nicht auf immer oder langfristig oder auf unbestimmte Zeit, sondern kann bspw. kalendermäßig auf die Dauer einer Saison oder einer Messe oder Ausstellung eingeschränkt oder nach Bedarf unterbrochen [29] werden. Entscheidend ist, dass der Auftrag auf bestimmte Dauer, also dem Charakter nach als Dienstvertrag und somit zahlenmäßig unbeschränkt verpflichtend [30] auf die Bemühung um eine unbestimmte Vielzahl von Geschäftsabschlüssen abzielt. [31]

In der zahlenmäßigen Unbestimmtheit des Auftrags liegt die Unterscheidung zum Gelegenheitsagent i.S.v. § 354 HGB, einem Kaufmann, der für Geschäftsbesorgung ebenfalls Provisionsansprüche hat, jedoch nicht als Handelsvertreter einzuordnen ist, bzw. zum Handelsmakler (vgl. § 93 Abs. 1 HGB § 93 HGB ). [32]

Ein Handelsvertretervertrag wird als stillschweigend geschlossen anerkannt, wenn die Parteien eine auf Dauer angelegte Zusammenarbeit wie einen Handelsvertretervertrag behandelt und abgewickelt haben. [33]

Die Tätigkeit wurde für einzelne Tage bzw. für Gruppen von 2-5 Tagen, gewöhnlich am Freitag und Samstag in Form von Einzelaufträgen zugewiesen. Die Aufträge zielten auf „Abverkauf“ der Produkte einer bestimmten Marke, also auf möglichst viele Geschäftsvermittlungen, z.B. Kaufverträge für Drucker, Druckerzubehör, PCs und PC-Zubehör sowie sonstige Produkte eines Herstellers ab. Die kalendermäßige Beschränkung war insoweit als koordinatorische organisatorische Maßnahme erforderlich. Die zu den Hauptabsatzzeiten zum Wochenende und Weihnachtsgeschäft angesetzten Promotionaktionen mögen dem Interesse des Unternehmers entsprochen haben, das Geschäft möglichst effektiv zu fördern.

Die Betrauung war jeweils auf eine unbestimmte Vielzahl von Verträgen gerichtet und beinhaltete andererseits auch die Pflicht, im Sinne des Unternehmers zahlenmäßig unbegrenzt Verträge für diesen zu vermitteln.

Folglich handelte es sich um ständige Betrauung.

Pflichten des Handelsvertreters, § 86 HGB

Tätigkeitspflicht, § 86 Abs. 1 HGB

Der Handelsvertreter muss die Geschäftsförderung unter Wahrung der Interessen des Unternehmers betreiben.

Die Tätigkeit wurde im besten Interesse und stets zur Zufriedenheit der Auftraggeberin durchgeführt. Der Pflicht zur Beobachtung der Interessen des Unternehmers wurden genügt.

Bemühenspflicht

Die ständige Betrauung beinhaltet die Verpflichtung nicht nur gelegentlich oder nach Möglichkeit tätig zu werden. [34] Die Vermittlung festigt sich zur Rechtspflicht aufgrund klarer und eindeutiger Absprachen oder durch tatsächliche Handhabung. [35] Es gilt Dienstvertragsrecht, §§ 611, 612a, 613, 615 und 616, 617, 618, 620-22, 624, 625, 628 und 630 BGB, sowie Auftragsrecht §§ 663 ff BGB. [36] Der Handelsvertreter muss nicht so viele Abschlüsse hereinholen, wie ihm bei größter Anstrengung möglich wäre, aber soll doch angemessene Umsätze erzielen. [37]

Während der Promotiontage hat der Promoter während der vereinbarten Arbeitszeiten Kunden aktiv angesprochen und den Umsatz erheblich gesteigert. Damit ist die Bemühenspflicht erfüllt.

Mitteilungs- und Nachweispflicht,

Der Vermittlungsvertreter [38] muss dem Unternehmer unverzüglich (ohne schuldhaftes Zögern) Mitteilung über Annahme, Ablehnung, Ausführung oder Nichtausführung des Geschäfts geben.

Wie die Einzelaufträge es vorsahen, hat der Promoter bis spätestens 24 Uhr am Folgetag der Tätigkeit einen Abverkaufsbericht aus dem Warenwirtschaftssystem des jeweiligen Markts ausgedruckt und an die Auftraggeberin gefaxt und zusätzlich die Anzahl der verkauften Produkte und damit erzielte Umsätze im Extranet des Unternehmens erfasst.

Die Mitteilungs- und Nachweispflicht ist erfüllt.

Sorgfaltspflicht, § 86 Abs. 3

Der Handelsvertreter hat seine Pflichten mit der Sorgfalt eines ordentlichen Kaufmanns wahrzunehmen. Das bedeutet insbesondere, den anderen Teil von Schaden frei zu halten. Durch die Tätigkeit sind nach bestem Wissen und Gewissen keine Schäden entstanden.

Die Vertreterpflichten wurden beobachtet.

Provisionsanspruch, § 87 Abs 1, 2 HGB

Dem Handelsvertreter steht nach § 87 Abs. 1 HGB ein Provisionsanspruch für jeden durch seine Mitwirkung zustande gekommenen Vertrag zu.

Tagessatz als Provision

Die Einzelaufträge enthielten unter dem Punkt „Vergütung / Kostenübernahme“ den Punkt „Abverkaufspromotion“, teilweise mit dem Zusatz „Typ A“ mit einem Wert von rund 65 Euro je Einsatztag. Insgesamt belief sich die Gesamtvergütung je Tag zuletzt auf 115 Euro zzgl. Anreisepauschale. Dies könnte eine fixe Vergütung darstellen und weitere Provisionszahlung könnte vertraglich ausgeschlossen sein.

Die Europäische Handelsvertreterrichtlinie billigt dem Handelsvertreter „eine angemessene Vergütung, bei der alle mit dem Geschäft zusammenhängenden Faktoren berücksichtigt sind,“ zu (Art. 6 S. 2). Demnach ist eine Pauschalvergütung grundsätzlich zulässig. Unverhältnismäßig niedrige „Hungerprovision“ ist im Wege der Abwägung zwischen Vertragsfreiheit und Treu und Glauben gerichtlich nachprüfbar. Hungerprovision ist anzunehmen, wenn die Provision kein ausreichendes Äquivalent im Hinblick auf die vom Handelsvertreter geschuldeten Bemühungen darstellt und deshalb in einem außergewöhnlichen Missverhältnis zu der geschuldeten Tätigkeit steht. [39] Es gelten die Grundsätze von Treu und Glauben (§ 242 BGB) und der Sittenwidrigkeit (§ 138 BGB). [40]

Demgegenüber gewährt § 87 Abs. 1 S. 1 HGB dem Handelsvertreter „Anspruch auf Provision für alle während des Vertragsverhältnisses abgeschlossenen Geschäfte, die auf seine Tätigkeit zurückzuführen sind“. Die unterschiedlichen Vergütungsformen können kombiniert werden. Feststehende Provisionsbeträge werden grundsätzlich als Mindest- und nicht als Festbeträge gewertet, [41] insoweit der tatsächliche Umsatz ein gewisses Maß überschreitet sind also weitere Ansprüche möglich.

Aussagen der Regionalleitung, der Tagessatz werde so berechnet, dass der Promoter davon die Unkosten tragen kann, deuten an: der Tagessatz steht außer Verhältnis zum mit der Tätigkeit verbundenen Aufwand und zu den konkret erzielten Umsatzerfolgen. Eine vertragliche Vereinbarung zur Höhe der Provision oder ein im Rahmen einer Interessenabwägung dem Grundsatz nach zulässiger Provisionsausschluss liegt nicht vor und wäre auch nicht angemessen.

Provision auf Basis abgeschlossener Geschäfte

Die Provision wird nur für in Zusammenhang mit der Handelsvertretung abgeschlossene Geschäfte fällig. Erforderlich ist ein endgültiger, rechtswirksamer Vertragsschluss. [42]

Die an der Kasse zwischen Markt und Kunden geschlossenen Kaufverträge waren formwirksam und rechtlich bindend. Etwaige Finanzierungsverträge, mit aufgeschoben bedingtem Eigentumsübergang an den Kunden (zunächst Eigentumserwerb durch die Bank) sind insoweit unbeachtlich. Ausübung vertraglicher Rückgabemöglichkeiten könnten den Provisionsanspruch für betreffende Kaufverträge vernichten. Da es sich bei derartigen Rücktritten vom Kaufvertrag nur um geringste Volumen handeln dürfte, wird hier nicht näher darauf eingegangen.

Provisionssatz

Die Provision ist eine Erfolgsvergütung, die grds. erfolgsbezogen ist, es aber wie etwa bei der Bezirksprovision nach § 87 II HGB nicht sein muss. [43]

In Art. 6 Abs. 2 der europäischen Handelsvertreterrichtlinie heißt es: „Jeder Teil der Vergütung, der je nach Zahl oder Wert der Geschäfte schwankt, gilt als Provision im Sinne dieser Richtlinie.“ Wenn und soweit die Vergütungen eines Handelsvertreters daher an der Zahl oder dem Wert der Geschäfte gemessen werden, sind sie Provision im Sinne dieser Richtlinie. [44] Es wurden keine Provisionen gezahlt.

Gerade aufgrund der Dienstqualität des Verhältnisses sind die resultierenden Rechte mit dem Anspruch auf Provision nach § 87 HGB unbedingt erforderlich, um durch Teilung des unternehmerischen Risikos wie auch des Erfolgs die gerechte Abgrenzung zum sozial versicherten Arbeitnehmer zu gewährleisten. Dieselbe Teleologie spricht auch aus der europäischen Handelsvertreterrichtlinie 86/653 EWG , deren Art. 6 Abs. 1 eine Vergütung verlangt, bei der alle mit dem Geschäft zusammenhängenden Faktoren berücksichtigt sind. Insoweit wäre pauschale Vergütung im Grunde zulässig, wenn die Bezahlung auch im Erfolgsfall noch ausreichend hoch ist (Prinzip des Bestsellerparagraphen). Das geltende deutsche Recht gewährt dem Unternehmer aber keine Möglichkeit zur pauschalen Vergütung und erzwingt die Provision ohne Wenn und Aber.

Die Höhe der Provision richtet sich grundsätzlich nach § 87b HGB. Die „übliche Provision“ ist notfalls mit einer Stellungnahme der IHK oder anderer Verbänden unter Berücksichtigung aller Kriterien und objektiven Maßstäbe zu ermitteln. Maßgeblich sind die Gepflogenheiten des jeweiligen Geschäftszweigs am Ort der Niederlassung des Handelsvertreters zum Zeitpunkt des Geschäftsabschlusses. Nicht maßgeblich ist, welche Provisionen der Unternehmer anderen Vertretern gezahlt hat. Im Zweifel ermächtigt § 315 BGB den Handelsvertreter die Höhe der Provision selbst nach billigem Ermessen festzulegen. [45] Beispiele für einseitig bestimmte Provisionen im kleinteiligen Vermittlungsgeschäft am Ort sind Onlineplattformen wie etwa Amazon, die für automatisierte Transaktionen Vermittlungssätze ab 15% bis etwa 35% berechnen. (Mittlerweile haben diese Anbieter weitgehend ihre AGB angepasst, um das Handelsvertretungsrecht auszuschließen, das ist hier aber belanglos. Ebenso hat die Auftraggeberin ihre Promoter in abhängige Arbeitnehmer umgewandelt, auch das spielt gar keine Rolle). Aus einem Gespräch mit dem Key Account Manager ging hervor, dass Einsätze intern ab etwa 1.600 Euro Umsatz je Tag als Erfolg bewertet wurden; bei Berücksichtigung der Betriebskosten der Auftraggeberin lässt das auf eine ähnlichen Fuß schließen.

Entspricht die Provisionsbestimmung durch den Handelsvertreter nicht billigem Ermessen, muss die übliche Provision durch ein Gericht festgelegt werden. [46]

Die normale Provisionshöhe sollte sich billigerweise auf rund 15% - 35% taxiert werden.

Vorschuss oder Verrechnung

Es könnte eine Minderung der Provision um die gezahlten Vergütungen geltend zu machen sein, wenn diese als Vorabprovisionen oder Fixa und nicht als Aufwandsentschädigung im Sinne von § 87d HGB, §§ 675, 670 BGB zu werten sind.

Vorschussprovision

Grundsätzlich hat ein Handelsvertreter nach § 87a Abs. 1 S. 2 Anspruch auf angemessenen Vorschuss zum Ende des Folgemonats nach dem Vertragsschluss. Für Handelsvertreter im Nebenberuf lässt § 92b Abs. 1 S. 3 diesen Anspruch - auf Vorschuss, nicht auf die Provision - entfallen. Es herrschte Einvernehmen darüber, dass die Handelsvertretung als Nebentätigkeit ausgeübt wurde. Es war also kein Vorschuss geschuldet. Zahlungen waren auch nicht als Vorschuss bezeichnet. Daher sind bereits erfolgte Zahlungen nicht als Provisionsvorschuss zu betrachten.

Aufwendungsersatz

Unter Maßgabe der Üblichkeit kann der Handelsvertreter vom Unternehmer Ersatz seiner im regelmäßigen Geschäftsbetrieb entstandenen Aufwendungen verlangen, § 87d HGB.

Die im Vergleich zu den HGB-Normen neuere europäische Handelsvertreterrichtline, die die Rechte der Warenvertreter stärken soll, [47] spricht in Art. 6 Abs. 1 zunächst vom Vergütungsanspruch und erwähnt erst im zweiten Absatz die Provision. [48]

Die „Einzelaufträge / Verträge“ enthielten eine „Vergütung / Kostenübernahme“ mit zuletzt 65 Euro Tagessatz, 10 Euro Pünktlichkeitsprämie, 20 Euro für den täglichen Versand der Artikelerfolge und die Eingabe der erzielten Umsätze in ein Onlineformular, jeweils 10 Euro für die positive Bewertung der Aktion durch den Markt und die Übermittlung des Marktfeedbacks sowie unter Umständen eine An- und Abreisepauschale, nicht jedoch Übernachtungskosten oder Provisionen.

Die Aufwendungen für Einrichtung und Ausübung des Geschäftsbetriebs, Teilnahme an den nicht vergüteten Schulungen, Fortbildung, Kleidung und Versorgung am Leistungsort waren von der Tagespauschale zu bestreiten.

Desweiteren könnte es sich um Aufwendungsersatzes nach § 87d HGB handeln. Die Kostenübernahme könnte also gar kein Fixum sondern lediglich Ersatz im Sinne von § 670 BGB sein, der unabhängig neben der Provision steht.

Im Promotionsektor sind feste Tagessätze als Grundeinkommen die Regel, erfolgsabhängige Vergütungen werden hierzu addiert und nicht verrechnet.

In der Vergütung für den erteilten Auftrag ist also eine pauschale Vergütung zu sehen, die der Deckung der Unkosten für die Erbringung der Leistung diente (Spesen), jedoch keine Provision im Rechtssinne und auch kein Vorschuss. Im Sinne des § 87d HGB sind die bereits geleisteten Vergütungen als Aufwendungsersatz anzusehen.

Durch die erfolgte Vermittlung von Kaufverträgen sind Provisionsansprüche als Prozentsätze oder Bruchteile des Bruttoverkaufspreises der verkauften Gegenstände entstanden. Diese stehen unabhängig neben bereits gezahlten Beträgen.

Verjährungseinrede

Ansprüche aus dem Verhältnis könnten verjährt sein.

§ 88 HGB, der für Ansprüche aus Handelsvertretungen eine spezifische Verjährungsfrist von vier Jahren bestimmte, ist mit Wirkung vom 15.12.2004 weggefallen. Die Verjährungsfrist ist daher nach dem BGB zu bestimmen.

Regelmäßige Verjährungsfrist

Die Regelmäßige Verjährungsfrist beträgt drei Jahre (§ 195 BGB). Dieser Frist kann der Einspruch unzulässiger Rechtsausübung entgegengehalten werden, wenn der Schuldner den Gläubiger in unzulässiger Weise im Unklaren gelassen oder arglistig getäuscht hat. Aus Schadensersatzgesichtspunkten besteht dann die Verpflichtung des Schuldners fort. [49]

Bei Provisionsforderungen als „Hauptrecht“ soll regelmäßige Voraussetzung des Verjährungslaufs sein, dass der Handelsvertreter durch eine Abrechnung nach § 87c Abs. 1 HGB vollständig, unmissverständlich und deutlich Kenntnis seiner Ansprüche erhält. Fehlt eine Abrechnung gänzlich, hat der Handelsvertreter weder Kenntnis von den provisionsbegründenden Umständen noch muss er eine solche Kenntnis haben. [50]

Nach Ansicht des Bundesgerichtshofs entsteht im Sinne des § 199 Abs. 1 Nr. 1 BGB der Anspruch auf einen Buchauszug nicht erst bei Beendigung des Handelsvertreterverhältnisses, sondern mit der Erteilung der (jeweiligen) Provisionsabrechnung nach § 87c Abs. 1 HGB; zugleich wird damit das Buchauszugsrecht fällig. [51]

Im Extranet der Beklagten wurde einige Zeit eine Übersicht über Tagesumsätze in verschiedenen Märkten zum Vergleich der erzielten Umsätze angeboten. Diese Übersicht war aber keine Provisionsabrechnung und eignete sich auch nicht etwa für eine selbstständige Abrechnung, entsprach also nicht einem Buchauszug.

Eine Provisionsabrechnung ist also nicht erfolgt, so dass das „Hauptrecht“ frustriert ist. Dadurch hat keine Regelverjährung begonnen.

Verjährungsfrist nach § 199 BGB

Gem.  § 199 Abs. 3 Nr. 1 BGB verjähren Schadensersatzansprüche erst nach 10 Jahren. Ein Schadensersatzanspruch kann durch Pflichtverletzung mit der Folge eines Schadens begründet sein.

Schuldhafte Pflichtverletzung, § 280 Abs. 1 BGB

Eine Hauptpflicht des Unternehmers ist die Abrechnung über Provisionen, die in schriftlicher Form zu erteilen ist, [52] Provision ist gem. Art. 6 Abs. 2 der EU-Richtlinie jeder Teil der Vergütung, der je nach Zahl oder Wert der Geschäfte schwankt. Die Pflicht ist nach § 87c Abs. 5 HGB unabdingbar und daher zwingend. Die Unterlassung ist eine Pflichtverletzung, wodurch der Gläubiger in unzulässiger Weise im Unklaren über seine Ansprüche gelassen wurde. Der Unternehmer hat die Pflichtverletzung im Verhältnis zum Handelsvertreter zu vertreten.

Der Unternehmer hat nicht wie § 87c Abs. 1 HGB es fordert, nach einem, spätestens nach drei Monaten, über Provisionen abgerechnet.

Schadensfolge

Schaden ist eine unfreiwillige Vermögenseinbuße. Aufgrund der mangelnden Abrechnung konnte der Handelsvertreter die entstandenen Provisionen wegen Unkenntnis über deren genaue Höhe nicht in Rechnung stellen. Diese bislang entgangenen Provisionen sind ein Schaden, der kausal auf der Verletzung der Abrechnungspflicht beruht.

Die Verjährungsfrist der hier bezeichneten Ansprüche beträgt wegen der kausalen und zurechenbaren Verletzung der Unternehmerpflicht nach § 87c Abs. 1, spätestens nach 3 Monaten zum Ende des Folgemonats über Provisionen abzurechnen und die dadurch vom Unternehmer zu vertretende Unkenntnis über Anspruchsessentialia auf Seiten des Handelsvertreters gem. § 199 BGB Abs. 3 Nr. 1 10 Jahre.

Es kann hier wohl dahinstehen, ob die Verjährungseinrede für den Grundanspruch gesperrt ist oder in einen Schadensersatzanspruch gewandelt wird. Ähnlich verhält es sich mit Folgeschäden, deren Weiterfressen der Unternehmer jederzeit durch nachträgliche Abrechnung verhindern könnte. Jedenfalls ist für keinen Teil des Anspruchs Verjährung eingetreten.

Verwirkung

Die Ansprüche wurden über längere Zeit nicht – jedenfalls in schriftlicher Form – geltend gemacht. Hierdurch könnten sie verwirkt sein.

Ein Anspruch kann als verwirkt gelten, wenn der Anspruchsberechtigte seine Rechte über längere Zeit nicht geltend gemacht hat und der Anspruchsverpflichtete sich nach dem gesamten Verhalten des Berechtigten darauf einrichten durfte und eingerichtet hat, dass dieser das Recht auch in Zukunft nicht geltend machen werde. Es müssen jedoch besondere Umstände hinzutreten, aufgrund derer die spätere Geltendmachung des Anspruchs sich als Verstoß gegen Treu und Glauben darstellt. [53]

Bereits zu Beginn des Vertragsverhältnisses wurde die Auszahlung von erklecklichen Vergütungen aufgrund von Investments für die fernere Zukunft in Aussicht gestellt. Auch während der Tätigkeit wurden durch den Regionalleiter und auf Schulungen immer wieder angedeutet, dass Vermögen am Geldmarkt investiert wurde und Hoffnungen auf ein anwachsendes unverjährtes Guthaben geschürt, also eben gerade nicht ausgeschlossen.

Es liegt auch keine Anspruchsverwirkung vor.

Der Anspruch besteht in vollem Umfang, ist nicht verjährt und keinesfalls verwirkt.

Stufenklage, § 254 ZPO

Die Klage auf Rechnungslegung und die resultierende Leistungsklage werden durch die Stufenklage vereinheitlicht.

Auskunftsanspruch

Im ersten Schritt werden die der Auskunftsansprüche nach § 87c Abs. 2, 3, 4 HGB geltend gemacht. Der Handelsvertreter muss sich nämlich nicht darauf verweisen lassen, ihm übersandte Unterlagen selbst chronologisch zu ordnen und aufzubewahren, um sich daraus die für die Nachprüfung erforderlichen Informationen zusammenzusuchen; auch eine Zugriffsmöglichkeit auf eine EDV zum jeweils aktuellen Stand, den der Handelsvertreter hätte festhalten müssen, genügt nicht. [54]

Der Unternehmer muss eine Abrechnung aller Umsätze, die auf Promotion und Merchandising zurückzuführen sind, sowie über alle weiteren wesentlichen Umstände vorweisen oder einem Buchprüfer, Wirtschaftsprüfer oder Buchsachverständigen die dafür erforderliche Einsicht gewähren.

Leistungsanspruch

Auf Grundlage der Auskunft über die erzielten Umsätze wird unter Ansetzung des billigen Provisionssatzes die Höhe des auf § 87 Abs. 1, 2, 3 HGB beruhenden Anspruchs berechnet und zur Leistung bestimmt. Obendrein sind alle sonstigen Gewinne oder Schadensersatz, die auf der Tatsache beruhen, dass die Provision nicht fristgerecht ausgezahlt wurde, herauszugeben.

Zuständige Gerichtsbarkeit

Ordentliche Gerichtsbarkeit

Grundsätzlich ist die ordentliche Gerichtsbarkeit zuständig. Die grundsätzliche Zuständigkeit der Kammern für Handelssachen folgt aus §§ 95 Abs. 1 Nr. 1 GVG. Nach einer Ansicht ist auch bei fehlender Kaufmannseigenschaft des Handelsvertreters die Kammer für Handelssachen des Landgerichts zuständig, da es sich um beiderseitige Handelsgeschäfte handle. [55] Die Gegenmeinung verweist darauf, dass der andere Unternehmer i.S.v. § 84 Abs. 4 HGB nur deshalb auch ein Nichtkaufmann sein kann, damit dieser auch in den Schutz der §§ 84 ff. HGB einbezogen wird. Es handle sich demnach um eine bloße Schutzvorschrift für den Handelsvertreter, aus der keine weitergehenden Folgerungen geschlossen werden können. Soweit nicht beide Beteiligte Kaufmannsstatus besäßen, könne nicht das Recht der beiderseitigen Handelsgeschäfte zur Anwendung kommen. [56] Demnach wäre eine ordentliche Zivilkammer zuständig, wenngleich das dem Gesetzeswortlaut nicht in vollem Umfange gerecht wird.

Es ist also zu entscheiden, ob die Zivil- oder Handelskammer zuständig ist weil davon ausgegangen werden kann, dass die Richter beider Kammern gleichermaßen kompetent und qualifiziert wären.

Schiedsgericht

Die Möglichkeit der Vereinbarung eines Schiedsgerichts steht den Parteien grundsätzlich offen. [57] Eine solche Vereinbarung verletzt das Rechtsstaatsprinzip nicht unmittelbar und offensichtlich.
Eine derartige Vereinbarung wurde nicht geschlossen und war zu keiner Zeit von keiner Seite gewollt.

Arbeitsgericht

§ 2 I Nr. 3 ArbGG bezieht die Arbeitsrechtliche Zuständigkeit auf arbeitnehmerähnliche Personen, gem. § 5 Abs. 3 ArbGG sind das solche, die als Einfirmenvertreter i.S.v. >§ 92a HGB in den letzten Vertragsmonaten durchschnittlich nicht mehr als 1000 € an Vergütungen bezogen haben. Maßgeblich sind die entstandenen, nicht die ausgezahlten Vergütungen. Eine erweiternde Analogie sollte nicht nur Einfirmenvertretern die Möglichkeit einräumen, das Verfahren am Arbeitsgericht anhängig zu machen. Ist § 5 Abs. 3 ArbGG wegen Überschreitung der Vergütungsgrenze unanwendbar, sind ungeachtet § 5 Abs. 1 S. 2 ArbGG wegen der abschließenden Sonderregelung die Zivilgerichte zuständig. Fraglich ist, ob die Bezüge ohne oder wie bei der Umsatzberechnung nach § 87b Abs. 2 S. 3 HGB einschließlich Umsatzsteuer zu bewerten sind.

Das Arbeitsgericht hat in seinen einschlägigen Entscheidungen Arbeitnehmerähnlichkeit verneint.

Zwischenergebnis

Nach dem Verweisungsurteil des Arbeitsgerichts ist das Landgericht Frankfurt zuständiges Gericht für die Entscheidung über die Stufenklage.

Ergebnis

Durch die Tätigkeit sind dem Promoter Provisionsansprüche entstanden.
Die Verjährungseinrede ist wirkungslos.
Der ortsübliche Provisionssatz wird nach § 87b Abs. 1 i.V.m. § 315 BGB bestimmt und dürfte zwischen 15% und 35% vom Umsatz betragen. Überprüfung der Billigkeit durch Urteil, § 315 Abs. 3 S. 2 BGB.

Die Beklagte muss Buchauskunft über alle Geschäfte gewähren, für die dem Kläger Provision gebührt. Außerdem sind alle weiteren für den Provisionsanspruch, seine Fälligkeit und Berechnung wesentlichen Umstände mitzuteilen. Der so berechnete Provisionsanspruch ist dem Kläger nebst Zinsen in Höhe von 9 Prozentpunkten über dem Basiszinssatz seit Rechtshängigkeit zu zahlen. Diesen Betrag übersteigende Gewinne aus Anlagegeschäften sind dem Kläger auch zu zahlen.

 


 

Fußnoten

[1] Baumbach/Hopt: Handelsgesetzbuch, vor § 84;
Oetker: Handelsgesetzbuch, 7. Aufl. 2021, § 84 Rn. 12
Thume, Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters: Grenzen der Vertragsgestaltung, BB 2012, 975 (979).

[2] Thume, Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters: Grenzen der Vertragsgestaltung, BB 2012, 975 (982).

[3] vgl. Baumbach/Hopt: Handelsgesetzbuch, 38. Aufl. 2014 § 84 Rn. 23.

[4] BGH, 01.04.1992 - IV ZR 154/91 Rz. 12.

[5] BGH Urt. v. 11.3.1982 I ZR 27/80 (Propagandistin) Rz. 12, 15.

[6] Schmidt Handelsrecht 6. Aufl. 2014 § 27 Rn. 14;
Baumbach/Hopt: Handelsgesetzbuch, 38. Aufl. 2014 § 84 Rn. 35.

[7] Baumbach/Hopt: Handelsgesetzbuch, 38. Aufl. 2014 § 84 Rn. 37

[8] Baumbach/Hopt: Handelsgesetzbuch, 38. Aufl. 2014 § 84 Rn. 36.

[9] BAG Urt. v. 9.6.2010 - 5 AZR 332/09, Ziff. 27.

[10] vgl. Baumbach/Hopt: Handelsgesetzbuch, 38. Aufl. 2014 § 84 Rn. 36

[11] Schmidt Handelsrecht 6. A 2014 § 27 Rn. 21;
NJW 1982, 1757 - Propagandistin.

[12] Entscheidung in diesem Verfahren: Hess. LAG Beschl. v. 5.2.2021 - 17 Ta 284/20.

[13] Siehe Münchener Kommentar zum Handelsgesetzbuch (MüKo HGB) § 84 Rn 59,
vgl. BGH Urt. v. 22.6.1972 – VII ZR 36/71 Rn. 25.

[14] BGH, Urt. vom 4. Juni 2009 - III ZR 82/08 Rz 8 f.

[15] Westphal, Neues Handelsvertreterrecht S. 65.

[16] Baumbach/Hopt: Handelsgesetzbuch, 38. Aufl. 2014 § 84 Rn. 27

[17] Baumbach/Hopt: Handelsgesetzbuch, 38. Aufl. 2014 § 84 Rn. 33 f.

[18] Baumbach/Hopt: Handelsgesetzbuch, 38. Aufl. 2014 § 84 Rn. 30

[19] BGH 22.6.1972 – VII ZR 36/71 Rn 21-24;
vgl. Baumbach/Hopt: HGB 38. Aufl. 2014 § 84 Rn. 31.

[20] Baumbach/Hopt: Handelsgesetzbuch, 38. Aufl. 2014 § 87c Rn. 2.

[21] Baumbach/Hopt: Handelsgesetzbuch, 38. Aufl. 2014 § 84 Rn. 41.

[22] Münchener Kommentar zum HGB § 84 Rn 53;
Westphal: Neues Handelsvertreterrecht S. 18.

[23] Röhricht, Graf von Westphalen, Haas Handelsgesetzbuch Kommentar 4. Aufl. 2014 § 84 Rn 9-12

[24] Münchener Kommentar zum HGB § 84 Rn 54.

[25] Bernd Westphal, Neues Handelsvertreterrecht, Wiesbaden 1991

[26] Baumbach/Hopt: Handelsgesetzbuch, 38. Aufl. 2014 § 85 Rn. 2.

[27] BGH - Urt v. 13.12.1995 - VIII ZR 61/95;
OLG Nürnberg Urt. v. 19.9.1957 - 3 U 94/57 = NJW 1957, 1720

[28] BGH Urt. v. 18.11.1971, VII ZR 102/70 Rz. 14.

[29] Baumbach/Hopt: Handelsgesetzbuch, § 84 Rn 42;
BGH, 18.11.1971 - VII ZR 102/70 Rz. 14.

[30] OLG Bamberg Urteil 18.9.1964 – 3 U 26/36 = BB 1967, 1167 (1168);
BGH, 01.04.1992 - IV ZR 154/91 Rz. 14.

[31] Baumbach/Hopt: Handelsgesetzbuch, 38. Aufl. 2014 § 84 Rn. 42;
Münchener Kommentar zum HGB § 84 Rn 54;
Röhricht, Graf von Westphalen, Haas HGB Kommentar, § 84 Rn 9-12.

[32] Baumbach/Hopt: Handelsgesetzbuch, 36. A 2014 § 84 Rn. 44; BB 1967, 1167 (1168).

[33] Schmidt Handelsrecht § 27 Rn. 36.

[34] OLG Nürnberg, Urteil vom 19.9.1957 – 3 U 94/57 = NJW 1957, 1720.

[35] Röhricht, Graf von Westphalen, Haas Handelsgesetzbuch Kommentar 4. A 2014 § 84 Rn. 9-12; BGH, Urt. v. 12.11.1986, I ZR 107/84 Rn 13.

[36] Baumbach/Hopt § 86 HGB Rn. 4, 5.

[37] Baumbach/Hopt: Handelsgesetzbuch, 38. Aufl. 2014 § 86 Rn. 6.

[38] Baumbach/Hopt: Handelsgesetzbuch, § 86a Rn 10

[39] Westphal Neues Handelsvertreterrecht 2000 S. 91 mwN;
Thume, Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters: Grenzen der Vertragsgestaltung, BB 2012, 975 (976)

[40] Thume, Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters: Grenzen der Vertragsgestaltung, BB 2012, 975 (976).

[41] Baumbach/ Hopt: Handelsgesetzbuch, 38. Aufl. 2014 §§ 87 Rn. 5.

[42] Baumbach/ Hopt: Handelsgesetzbuch, 38. Aufl. 2014 § 87 Rn. 7.

[43] Baumbach/ Hopt: Handelsgesetzbuch, 38. Aufl. 2014 § 87 Rn 2.

[44] Thume, Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters: Grenzen der Vertragsgestaltung, BB 2012, 975.

[45] BGH Urt 19.01.2005 - VIII ZR 139/04 Rz. 15.
Vgl. BGH, Urt. v. 02.03.1961 - VII ZR 15/60 S. 7-9.

[46] Westphal Neues Handelsvertreterrecht, S. 94.

[47] Hopt; MüKo.

[48] Thume, Der Provisionsanspruch des Handelsvertreters: Grenzen der Vertragsgestaltung, BB 2012, 975 (977).

[49] Röhricht, Graf von Westphalen, Haas: Handelsgesetzbuch Kommentar 4. Aufl. 2014 - vor § 84

[50] OLG Köln, Urteil vom 22.08.2014 – 19 U 177/13 Rn. 19

[51] OLG Köln, Urteil vom 27.01.2017 – 19 U 89/16, Rn. 131.
Vgl. BGH, Urteil v. 29.10.2008, VIII ZR 205/05, juris Rn. 28). Dies entspricht der weit überwiegenden Auffassung in Rechtsprechung...
(vgl. etwa OLG Köln, Urteil vom 23.10.2015, Az. 19 U 43/15, juris Rn. 57;
OLG München, Urteil v. 14.07.2016, 23 U 3521/15, juris Rn. 36;
OLG Stuttgart, Urteil v. 17.02.2016, 3 U 118/15, juris Rn. 29;
OLG Oldenburg, Urteil v. 04.04.2011, 13 U 27/10, juris Rn. 61)
...und Literatur (vgl. etwa Riemer in Küstner/Thume, Handbuch des gesamten Vertriebsrechts, Bd. 1, 4. Aufl., Kapitel VI Rn. 84;
Baumbach/Hopt, HGB, 37. Aufl., § 87 Rn. 53;
Emde, VersR 2009, 889 ff., 890).

[52] Baumbach/Hopt § 87c Rn. 5.

[53] Westphal, Neues Handelsvertreterrecht S. 116.

[54] BGH, Urt. v. 20.9.2006 - VIII ZR 100/05
Ausnahme bei monatlich erteilten Abrechnungen: BGH, Urt. v. 29.10.2008 - VIII ZR 205/05 Ziff. 18ff
Hübsch, Hübsch: Die neuere Rechtsprechung des Bundesgerichtshofs zum Handelsvertreterrecht WM 2011, 1, 7

[55] Westphal, Neues Handelsvertreterrecht S. 7.

[56] Westphal, Neues Handelsvertreterrecht S. 7.

[57] Westphal, Neues Handelsvertreterrecht S. 8.